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Muss künstliche Intelligenz intelligent sein - oder reicht auch schlau?

Muss künstliche Intelligenz intelligent sein - oder reicht auch schlau?

22.04.2020

KI - diese beiden Buchstaben bestimmen seit ein paar Jahren unsere Arbeitswelt. Als Heilsbringer im Kundenservice angepriesen, als dunkle Bedrohung für den Arbeitnehmer gebrandmarkt. Es gibt kaum ein Kürzel, das weniger genutzt, diskutiert und definiert wurde als KI.

Was verbirgt sich hinter dem Kürzel KI? Künstliche Intelligenz, ist doch klar. Doch was genau bedeutet hier eigentlich Intelligenz? Und kann eine Maschine wirklich intelligent sein, gehört zur Intelligenz nicht auch das menschliche Abstraktionsvermögen? Die Fähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen und in einen größeren, globalen Kontext zu stellen?

Definition der künstlichen Intelligenz

Ich habe mir viele Gedanken zu dem Thema gemacht, es versucht abzugrenzen und klar zu definieren. Viel wurde in der Fachliteratur geschrieben, und selbst bei Wikipedia wird der Begriff “Intelligenz” nicht eindeutig definiert - umso schwieriger scheint es dann, künstliche Intelligenz zu definieren.

Ich habe mich in den letzten zwei Jahren umgeschaut, versucht zu ergründen, wann und wo uns KI unterstützt, und wie sie die Arbeitswelt und unseren Alltag verändern wird. Und schließlich eine klare Definition zu finden. Denn wenn man etwas benennen kann, macht es ja bekanntlich weniger Angst. Haben wir eigentlich wirklich Angst vor der künstlichen Intelligenz?

Nehme ich William Faulkners Definition heran: “Intelligenz ist die Fähigkeit, seine Umgebung zu akzeptieren”, dann können eigentlich nur Maschinen intelligent sein. Wir Menschen hadern immer wieder mit unserer Umgebung und es fällt uns schwer, sie so zu akzeptieren, wie sie ist. Zumindest geht das mir so - aber vielleicht ist das ja der Beweis, dass ich nicht ausreichend intelligent bin.

Der Großteil der Menschen strebt nach Verbesserung, also herrscht wenig Akzeptanz mit dem Ist-Zustand - und so passt diese Definition Faulkners tatsächlich für mich mehr für die maschinelle als für die menschliche Intelligenz. Denn Intelligenz hat für mich auch immer wieder etwas mit Kreativität und der Erschaffung von Neuem zu tun.

Erstaunlicherweise sehen wir es gerne als Beweis von Intelligenz, wenn eine Maschine so agiert wie ein Mensch. Ein bekanntes Beispiel ist die Vorstellung des Google Duplex Voicebots. Die Zuschauer:innen sind begeistert, weil eine Maschine auch ein Ähm oder Mmh herausbringt. Mein Publikum bricht selten in Staunen oder Gelächter aus, wenn ich dasselbe mache. Ich versuche mir seit Jahren, unnützte Füllwörter abzugewöhnen, um intelligenter zu wirken - war das alles umsonst?

Man kann menschliche Intelligenz nicht direkt mit künstlicher Intelligenz vergleichen

Oder wird hier mit zweierlei Maß gemessen?

Das wird es tatsächlich: Wir erwarten nicht, dass Maschinen die gleiche Intelligenz besitzen wie wir. Maschinen dürfen ruhig den Anfang eines Gesprächs vergessen (ich darf das im Gespräch mit meiner Frau auf keinen Fall). Deshalb ist auch das Publikum gleich begeistert gewesen - wir erwarten heute von einer Maschine nicht, dass sie die Nuancen der menschlichen Sprache versteht und situativ korrekt verarbeitet. Genau das konnte der Google Duplex und wir wurden positiv überrascht. Genauso könnte ich mein Publikum wahrscheinlich in Staunen versetzen, wenn ich in 1 Mio Datensätze in 3 Sekunden analysieren und in Korrelation mit 500.000 weiteren Daten bringen würde. Denn das ist nicht meine menschliche Kernkompetenz, sondern die der Maschinen- sie können blitzschnell riesige Datenmengen verarbeiten.

Sind also alle künstliche Intelligenzen einfach nur schlaue Algorithmen?

Wahrscheinlich ja, aber genau das ist die Kerndisziplin der Maschinen: sie können riesige Datenmengen in Sekundenschnelle verarbeiten und stellen dabei passenden Zusammenhänge her. Sie haben keine guten oder schlechte Tage, Vorlieben und Abneigungen: sie messen, rechnen und korrelieren immer wieder nach den gleichen Parametern - ohne jemals gelangweilt oder müde zu werden. Und genau das ist es, was sie besser können als wir, weshalb wir es ehrfürchtig (und fälschlicherweise) als intelligent bezeichnen.

Keine Angst vor künstlicher Intelligenz

Sie ersetzt uns nicht - sie ergänzt uns perfekt. Eine Maschine übersieht nichts und überhört nichts. Dabei ist sie viel akkurater und fehlerfreier. In der Medizin macht man sich das bereits zu Nutze: Krebsdiagnosen stellt eine Maschine bereits treffsicherer als Ärzt:innen. Jede Frequenzabweichung wird sie bewerten und kann daraus errechnen, wie wir uns fühlen. Das genau ist dann aber auch der Unterschied: sie errechnet es, sie fühlt es nicht. Das ist auch der Grund, warum einige Respekt, andere Angst vor künstlicher Intelligenz haben.
Prof. Dr. Gunter Dueck macht in seinem Artikel deutlich: “Und da regen sich Leute auf, wenn ein Algorithmus falsch entschieden hat! Das kommt oft vor, sonst wären Banking, Risikomanagement und Medizin ja einfach. „Niemals sollen Computer über mich entscheiden!“ Tun sie ja schon. Sie liegen oft falsch, aber das macht nichts. Denn Menschen irren sich viel öfter, nehmen Sie es endlich hin.”

Macht KI uns als Arbeitnehmer:innen, als Partner:innen irgendwann überflüssig?

Nein, denn sie ist weder kreativ noch kann sie abstrahieren. Die Maschine kann zwar feststellen, dass Gesprächspartner:innen unglücklich sind, doch weiß sie nicht, was zu tun ist, wenn sie vorher keine Anleitung erhalten hat. Im Kundenservice kann sie sicherlich einen Gutschein als Trost spenden oder eine künstliche Entschuldigung hervorbringen, doch das Gefühl von Verständnis oder auf persönlicher Ebene, eine einfache Umarmung, wird sie nie anbieten können.

Autor: Ralf Mühlenhöver

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